Mittwoch, 23. Januar 2013

Meine ganz persönlichen Erfahrungen


Meine ganz persönlichen Erfahrungen zu den Themen Dominanz contra Freiwilligkeit
während der Ausbildung von Pferden



Da es auf diversen Facebook – Seiten zu meinem letzten Blogeintrag zum Thema "Rangordnung und Dominanz" viele Diskussionen gab, möchte ich hier mal meine eigenen Erfahrungen der letzten Jahre schildern.

Ich habe vor 37 Jahren zum ersten Mal auf einem Pferd gesessen und nach 2 Jahren Reiten lernen auf Schulpferden das erste junge Pferd eingeritten,es folgten bis heute sehr viele incl. aller meiner eigenen Pferde.

Als Monty Roberts das erste Mal in Deutschland war und sein Join up vorstellte, habe ich diese Methode innerhalb einer kleinen Veranstaltung in Bremen kennen gelernt. Sie wurde uns vorgestellt als eine Möglichkeit, die Arbeit mit einem jungen, wilden Pferd zu beginnen, keinesfalls um mit dem Pferd auf Dauer ständig so umzugehen. Ich war begeistert und nutzte das Join up gerne genau zu diesem Zweck: die erste Begegnung mit einem rohen misstrauischen Pferd harmonisch zu gestalten. NICHT mehr!
(Das was heute unter „Join up“ alles stattfindet hat mit dem was wir damals kennen gelernt haben, nichts zu tun sondern ist teilweise echter Psychoterror für das Pferd.)

Im Rahmen der Entwicklung des PHYSIO-RIDING beschäftigte mich über viele Jahre immer wieder ein Konflikt:
Einerseits hatten mich meine Studien gelehrt, dass die Ausbildung des Pferdes so gestaltet werden muss, das kein psychischer Druck oder gar direkte Angst vor Strafe und Schmerz entsteht, denn diese Gefühle beeinflussen das Hormonsystem, was zu den verschiedensten Krankheiten,  Muskelverspannungen und schließlich zu Gelenkerkrankungen führt.Und ein ganz wichtiger Aspekt: Sie verhindern, dass das Pferd denkt. Wenn ein Pferd Angst hat, setzt das Denken aus und nur noch Instinkte zwingen zum handeln.  
Andererseits vertrat ich aber auch die Meinung, dass ein gewisses Maß an Gehorsam unbedingt vorhanden sein muss, da es sonst in kritischen Situationen für Pferd und Mensch gefährlich werden könnte.

Ich verstehe deshalb die unterschiedlichen Auffassungen von Erziehung mit / ohne „Dominanz“ sehr gut, denn die gleiche Diskussion führte ich oft mit mir selber.

In den letzten Jahren habe ich mich dann aber sehr ausgiebig auch mit dem Mentaltraining auseinander gesetzt und dabei viel darüber nachgedacht, warum ich eigentlich wirklich Gehorsam von meinem Pferd verlange.

Was ist eigentlich eine kritische Situation?
Eine Situation die ich als kritisch einschätze ist eine Situation die mir Angst macht. Und vom Pferd erwarte ich ausgerechnet in den Situationen, die mir Angst machen, dass es mir gehorcht.....

Warum empfinde ich eine Situation als kritisch?
Weil andere Menschen sehen, dass ich mein Pferd nicht unter Kontrolle habe? Weil ich Autofahrer auf der Straße störe? Weil ich Angst um meinen eigenen Körper habe?
Ist es nicht eigentlivch so, dass die Situation nur kritisch wird, weil das Pferd unter Stress  aufhört zu denken, nur noch instinktiv handelt und deshalb unkontrollierbar wird!

Ich habe mir dann überlegt, dass eine Situation, die ich als kritisch empfinde, für das Pferd erst recht angsterregend sein muss und anstatt ihm dann Gehorsam abzuverlangen, sollte ich ihm doch lieber das Gefühl geben, das es von mir beschützt wird und sich bei mir sicher fühlen kann, dann wird er auch weiter denken und es entsteht nicht dieser Teufelskreis aus Stress, "Nicht mehr denken können"Unkontrollierbarkeit.

Hieraus ist unser PHYSIO-RIDING Anti-Scheutraining entstanden, dessen Grundhaltung ist:
“Beschütze Dein Pferd"


Bild: Der Mensch bedeutet dem Auto durch Handzeichen,Abstand zu halten und das Tempo zu verringern. 
Das Pferd kann sich sicher fühlen. Ein freundliches "Danke schön" an den Autofahrer sollte dabei selbstverständlich sein. (In unserem Buch "PHYSIO-RIDING mit Sabine Bruns" ist diese Methode näher beschrieben)


Zum Thema Clickertraining:
Lange Zeit habe ich das Clickertraining als nettes Spiel und schöne Beschäftigung für das Tier eingeordnet.
Um aber wirklich zu verstehen, was Clickertraining ist, muss man sich mit Verhaltensbiologie und dem Lernverhalten des Pferdes beschäftigen und dann wird schnell klar, dass es viel mehr ist, als eine Methode, dem Pferd das Ball spielen beizubringen.

Bereits nach einigen einfachen Clicker-Übungen habe ich sehr wichtigen Erfahrungen gemacht:  

Das Clickertraining öffnet eine Tür. Das Pferd lernt, dass es mit mir als Mensch intelligent kommunizieren kann und das meine Worte, Zeichen und Körpersprache  Bedeutungen haben und dass ich auch seine Zeichen und seine Körpersprache verstehe und wichtig finde. 

Das heißt, wenn ich mit einem Pferd Clickertraining übe, verändert sich auch unser gesamtes Miteinander wenn kein Clicker und kein Leckerli dabei ist.

Die Pferde kennen zuverlässig ihren Namen – viel besser als früher.
Wir haben dem Wort "Höflich" mit dem Clicker einen Sinn gegeben. Kein Pferd bettelt mehr um Leckerli.
Die Pferde lieben mich und achten mehr auf mich,denn sie wollen das ich Lust habe mit ihnen ein „Lernspiel“ zu spielen. Unser Zusammensein zeichnet sich durch sehr großen gegenseitigen Respekt aus.
Die Pferde haben Lust, sich anzustrengen und vor mir anzugeben, sie entwickeln erstaunliche Phantasie.

Seit dem ich in kritischen Situationen mein Pferd beschütze, werden wir beide immer ruhiger und selbstsicherer. Wenn mein Pferd Angst hat, sucht es meine Nähe und hört auf mein Kommando, weil es sicher weiß, dass es ihm damit gut geht.

Wenn ich heute meinem Pferd zu rufe „Halt! Hör auf!“ bleibt es sofort stehen und schaut mich an – nicht weil ich es dominiere, sondern weil es weiß, dass es sich damit in Sicherheit bringt.

Auch habe ich den Eindruck, dass die Pferde innerhalb der Gruppe ein immer harmonischeres Miteinander entwickeln. Mir stellt sich durch diese Beobachtungen bereits die höchst interessante Frage: Kann man Pferden soziales Verhalten beibringen?

Fazit:
Je mehr Freiwilligkeit ich dem Pferd zugestehe, desto mehr sucht es meine Nähe und will auf mich hören.

Für mich ist diese Erfahrung ein weiterer großer Schritt in meiner reiterlichen Entwicklung und es macht unglaublichen Spaß ihn weiter zu gehen und weiter zu entwickeln. Ich bin sehr froh, dass ich auch nach vielen, vielen Jahren im Umgang mit dem Pferd nie aufgehört habe, für neue Wege aufgeschlossen zu sein.


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